Sehr geehrter Sigmar Gabriel, sehr geehrte Damen und
Herren des Parteivorstandes,
hiermit gebe ich Euch meinen Parteiaustritt per
nächstmöglichem Termin bekannt. Vorwegnehmend: Ich bitte um eine schriftliche
Bestätigung des Parteiaustritts an obenstehende Adresse, besten Dank.
Auch wenn ich davon ausgehe, dass niemand der oben
genannten Personen dieses Schreiben tatsächlich zu lesen bekommt, möchte ich dennoch
eine kurze Begründung, was mich nach 15jähriger Parteimitgliedschaft zum
Austritt bewogen hat, darlegen:
Die aktuellen Berichterstattungen rund um die „Affäre
Volker Beck“ haben mir einmal mehr vor Augen geführt, was es bedeuten kann,
umfassende Konsequenzen aus rechtswidrigem Verhalten zu ziehen. Vor einigen
Jahren gab es einen ähnlichen Fall rechtswidrigen Verhaltens, in welches
mehrere, zum Teil sehr hochrangige, Mitglieder der SPD verwickelt waren. Ich
beziehe mich auf den Fall „Edathy“. Neulich wurde diesbezüglich die Nachricht bekannt,
dass seine Parteimitgliedschaft für fünf Jahre ruhe, ein Ausschluss erfolgte
nicht. Dass Herr Edathy persönlich offenbar keinerlei Einsicht in sein höchst
verabscheuungswürdiges rechtswidriges Verhalten und daraus resultierende
Konsequenzen zeigt, empfinde ich bereits problematisch. Dass aber ein
Parteivorstand es darauf beruhen lässt, weiterhin ein solches Mitglied zu
tragen, kann, will und werde ich nicht weiter finanziell und ideell
unterstützen. Insbesondere weil, wie gesagt, weitere hochrangige
Parteimitglieder, u.a. der Parteivorsitzende, offenbar darin verwickelt waren,
aus einem rechtswidrigen Einzelverhalten einen umfassenden Skandal zu machen.
Ich bin mit den Vorbildern von Sozialdemokraten gross
geworden, die diesen Namen noch verdient hatten und sich
meines
Erachtens
zu Recht so nennen
durften (z.B. Johannes Rau, Franz Müntefering), die heutige Parteispitze
besteht überwiegend aus schmierigen, raffgierigen und machtgeilen Egoisten, wo
man das „soziale“ wie das „demokratische“ schier mit der Lupe suchen muss.
Solange der Zustand so bestehen bleibt, werde ich diese Partei nicht weiter
unterstützen. Zumal ich bereits im Kleinen, d.h. im Berliner Ortsverein,
miterleben musste, dass dort Seilschaften und unsoziales Verhalten zur
Tagesordnung gehörten. Ich bedaure ausserordentlich, dass die hochrangigen
Politikerinnen und Politiker offenbar nicht in der Lage sind zu erkennen, dass
ihr eigenes Verhalten und die daraus resultierende Politik zur aktuellen, sehr
bedenklichen und fragwürdigen Stimmung im Land massgeblich beitragen und
anstelle von Beileidsbekundungen im Designer-Kaschmirmantel oder im warmen,
mit Designmöbeln eingerichteten Büro, eher tatkräftiges Handeln gefragt wären,
um der wachsenden rechten Bewegung Paroli zu bieten.
Ich bin froh, seit inzwischen 11 Jahren in der Schweiz zu
leben, wo die jüngste Abstimmung gezeigt hat, dass es Mittel und Wege gibt,
gegen dumpfe Parolen und Hasshetze friedlich anzugehen und auch
Volksmehrheiten zu erhalten. Mit Freude werde ich nächstes Jahr die Schweizer
Staatsbürgerschaft beantragen, was meinen deutschen Parteiaustritt für mich
formell zusätzlich begründet.
Ich wünsche Euch und den übrigen Parteigenossinnen und
–genossen ein baldiges Erwachen aus der Wohlfühlzone – idealerweise bevor es
zu spät ist.
Freundliche Grüße